Hilfe, ich möchte am liebsten nicht mehr da sein.

Dez 1, 2021 | Persönliches, Psychologisches Wissen | 0 Kommentare

Heute mache ich aus einem dringenden Grund eine Folge, die hier im Podcast neue Regeln mit sich bringt. Eine Frau, die anonym bleiben möchte, schreibt mir über ihre Erfahrungen mit Suizidgedanken. Ihr Wunsch war: Ich will  nicht mehr da sein. Sie hat sich Hilfe gesucht und bisher keine gefunden. Jetzt schreibt sie mir. Ich habe lange überlegt, ob ich darauf überhaupt antworten soll. Aber ich reagiere, dieses Mal. Und dann werde ich bei Anfragen zu diesem Thema immer nur auf diese Folge (und diesen Blogartikel) verweisen und nie wieder individuell darauf reagieren. Gerne darfst du im Podcast auch immer anonym bleiben – aber ich nehme nie wieder eine Frage in den Podcast von dir, wenn ich deinen Namen nicht weiss. Ich möchte dir antworten können und wissen, wer du bist.

Woher kommen der Wunsch: Ich will nicht mehr da sein?

Das war die Frage an mich. Ganz ehrlich: Ich weiss es nicht. Und mit ein paar Informationen, die ich bekommen habe – und dann auch noch anonym – kann (und will) ich auch nicht mehr dazu sagen. Bei diesem Thema (es geht um ein Menschenleben!!!) läuten bei allen Menschen alle Alarmglocken – auch bei mir. Wieviel ich verrate: Du bist sicherlich im Kampf-/Fluchtmodus gefangen. Du möchtest fliehen und du kämpfst – am meisten gegen dich selbst. Und was du brauchst sind Sicherheit und Vertrauen. Wie das bei dir persönlich entstanden ist und wie du für dich persönlich da rauskommst – das ist jetzt deine Lebensaufgabe geworden. Finde es heraus und löse das Rätsel.

Wie kannst du deine traurige Situation überwinden?

Als erstes empfehle ich dir, in einer ganz akuten Situation bei der kostenlosen Telefonseelsorge anzurufen. Dort ist 24 Stunden, 7 Tage die Woche immer jemand zu erreichen. Und die MitarbeiterInnen am Telefon sind extra dafür ausgebildet, diese Krisengespräche zu führen. Sie haben auch das Unterstützer-Netz vor Ort, das dir helfen kann, wo du Fäden spinnen kannst, wo der dir ein Sicherheitsnetz spinnen kannst. Die findest zu zum einen auf dieser Webseite oder direkt über diese beiden Telefonnummern oder den Chat.

Ich weiss nicht, wie jung du bist – Jugendliche und junge Erwachsene können sich auch bei Youth Lifeline melden. Dort gibt es auch einen Chat, der wiederum von dafür ausgebildeten Jugendlichen kompetent geführt wird. Das Motto dort lautet: “Im Leben bleiben.” Und neuerdings sind die sogar bei Instagram zu finden. Dann gibt es noch eine dritte Empfehlung, was du ganz akut in diesem Fall tun kannst. In Baden-Württemberg gibt es zwei Städte, die einen ganz besonderen Service dafür haben: Den Arbeitskreis Leben. Dorthin kannst du dich wenden, du bekommst dann jemanden an die Seite, der dafür ebenso fachlich ausgebildet ist. Das ist die richtige Hilfe für alle, die sagen: “Ich will nicht mehr da sein.” Dieser Mensch vom AK Leben begleitet dich – eben auch um im Leben zu bleiben.

Und wie kannst du langfristig Hilfe finden?

Ich veröffentliche weiter unten auch noch deine Zeilen, damit meine Leser sehen können, was du schon alles durchgemacht hast. Du hast bereits Hilfe gesucht. In einer Beratungsstelle – und von dort wurdest du in die Psychiatrie gebracht – wo man dich nur “verwahrt” hat. Eine Veränderung hat es nicht gebracht. Das ist jetzt auch der Grund, warum du dich hier im Podcast meldest – du möchtest offenbar etwas an deiner Situation verändern. Als erstes ist für dich wichtig, erstmal nicht nach den Ursachen zu forschen – die Frage “Warum” wird dich erstmal nicht weiter bringen. Stelle dir die Frage: “Wie schaffe ich es, im Leben zu bleiben?” Diese Frage bringt dich weiter. Und ich sage dir wie es geht: Finde einen Hauarzt, der dich in eine Psychosomatische Klinik einweist. Und zwar nicht wie bisher in die Akutpsychiatrie – sondern in eine Klinik, in der mit dir gemeinsam auf dein Thema geschaut wird, wo du nicht nur verwahrt wirst. Momentan sieht es in den Akutpsychiatrien leider so aus, dass anderes gar nicht möglich ist. Mehr Kapazitäten sind einfach nicht vorhanden. Das liegt nicht an dir, dass du so behandelt wurdest.

So kannst du nach einem Therapieplatz suchen

Alleine ist es gar nicht so leicht, “im Leben zu bleiben”. Aber das schaffst du. Am besten mit Begleitung. Bei deinem Thema empfehle ich eine tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie. Hole dafür bei der Krankenkasse eine Therapeutenliste und telefoniere diese Liste durch. Du findest die Liste auch im Netz. Suche nach der Kassenärztlichen Vereinigung deines Bundeslandes. Dort gibt es eine Therapeutenliste oder eine Ärzteliste. Wenn du dort als Facharzt “Psychologischer Psychotherapeut” eingibst, dann findest du die Therapeuten. Das ist etwas Fleißarbeit. Manche Krankenkasse helfen auch, einen Therapieplatz zu finden. Oder manche Bundesländer haben mittlerweile auch zentrale Vergabestellen für Therapieplätze. Schau dich auf der Webseite der Kassenärztlichen Vereinigung um, dort findest du weitere Informationen dazu. Du schaffst das!

Wie überbrückst du die Wartezeit?

In die Psychosomatische Klinik solltest du mit deinem Symptom recht schnell aufgenommen werden. Dafür braucht es nur eine kurze Wartezeit zu überbrücken. Das schaffst du mit der Telefonseelsorge oder mit den Experten vom AK Leben. Um die Zeit zu überbrücken, einen ambulanten Therapieplatz zu finden, suche dir einen Psychiater. Das ist ein Arzt, der auch Medikamente verschreibt. Wenn du diesem glaubhaft schilderst, dass du seine Begleitung nur brauchst, bis du in einer Klinik oder bei einem ambulant niedergelassenen Psychologischen Psychotherapeuten untergekommen bist UND absprachefähig bist, im Leben zu bleiben – dann wird dir das helfen, diese Zeit zu überbrücken. Sage am Telefon, dass du einen Krisentermin brauchst. Er kann dir eine Bestätigung ausstellen, dass du regelmäßige Termine mit ihm in Anspruch nimmst UND absprachefähig bist. Damit kannst du auch immer wieder Termine bei der Beratungsstelle ausmachen und diesen KollegInnen sagen, dass du zusätzlich in psychiatrischer Begleitung bist. Dann schrillen bei denen nicht alle Alarmglocken und du hast dennoch Hilfe.

Baue dir ein Netz, das dich auffängt und trägt

Auf diese Weise baust du dir ein Netz, das dich auffangen kann. Ich kann das nicht. Ich bin weder dafür ausgebildet – noch gehören Frauen, die aus dem Leben gehen möchten, zu meinen Wunschkundinnen. Ich habe eine ganze Menge Mitgefühl für dich – aber ich habe nicht das Handwerkszeug dafür, dich zu begleiten. Und ich habe auch nicht die nötigen Strukturen zur Verfügung, das anbieten zu können. Ich habe nicht deutschlandweit ein Netzwerk mit anderen Menschen, die dir helfen, ein Sicherheitsnetz für dich zu spinnen. Und das brauchst du.

Dieser Brief hat mich erreicht und meine Geschichte

Ich mag dir als Leserin jetzt nicht den traurigen Brief vorenthalten, den ich erhalten habe. Es ist so schade, dass für dich das Leben sich so schrecklich anfühlt. Und vielleicht kann ich auch noch ein wenig von mir selber schreiben? Auch in meinem Leben gab es eine Zeit, zu der sich für mich das Leben ganz schrecklich und dunkel anfühlte. Auch ich habe mit dem Gedanken gespielt, aus dem Leben zu gehen. Aber für mich war damals jemand da, der mir sagte: “Bleibe im Leben!” Ich bin mir sicher, dass mir meine “Exitstrategie”, die ich zu dem Zeitpunkt erst in einem einzigen Gedanken im Herzen bewegte, mir einfach die Sicherheit gab, dass es eine Lösung für mein Problem geben würde. Aber ein Mensch, der wohl Gedanken lesen konnte, sagte zu mir: “Du muss mit mir mitkommen und das was du eben gedacht hast darfst du nie wieder denken.” Eigentlich wollte ich über meine eigene Geschichte heute gar nicht schreiben, aber jetzt bin ich schon mitten drin. Aber erstmal zeige ich noch dir als Leserin die Email, die mich erreichte von der Frau, die von sich sagt: “Ich will nicht mehr da sein.”

Email, die mich erreichte: “Ich will nicht mehr da sein.”

Liebe Shivani, ich möchte gern anonym bleiben. Ich denke immer wieder über Suizid nach und habe die Angst, evntuell in die Psychiatrie eingewiesen zu werden, wenn man mich erkennt. Ich bin schon einmal eingewiesen worden, weil ich in einer Beratungsstelle zu ehrlich war. Und habe dann in der Psychiatrie keine Hilfe bekommen, sondern bin eher “verwahrt” worden und habe Medikamente bekommen. Hinterher ging es mir aber schlechter als vorher, weil man auch, so empfand ich es jedenfalls, die Patienten so behandelt hat, als wären sie dumm. Ich musste zum Beispiel mit einer FSJlerin Mensch-Ärger-dich-nicht spielen, um mich zu beruhigen. Ich bin so unglücklich mit meinem Leben und ich kann es nicht ändern. Ich habe mich durch den letzten Podcast, mit der Stimme, die sich selbst sabotiert, sehr an mich selbst erinnert gefühlt. Ich bin gar nicht ich selbst geworden. Und bevor ich mit einer falschen Persönlichkeit, in einer falschen Rolle, weiterlebe, würde ich eigentlich lieber gern die Welt verlassen. Ich denke aber, ich kann das meinen Eltern nicht antun, die mich ja geliebt und aufgezogen haben. So tue ich meiner Familie gegenüber so, als sei alles ok. Während ich mich schrecklich fühle. Wenn ich es mir überlege, mache ich das schon immer so. Ich habe immer so getan, als sei alles in Ordnung. Aber warum finde ich das Leben so schrecklich? Ich glaube nicht, dass ich im krankhaften Sinne depressiv bin und mit meinem Gehirnstoffwechsel irgendetwas nicht stimmt. Denoch finde ich das Leben sehr schwer zu ertragen. Wie würdest du mir raten, damit umzugehen? Mir geht es schon seit Jahren so, dass ich denke, am liebsten wäre ich nicht mehr da. Wenn es hier im Leben ohnehin nicht gut ist, dann würde ich lieber ganz weg sein. Es tut mir leid, eine so traurige Frage zu stellen. Aber du hast bisher alle Podcasts so ernsthaft beantwortet, vielleicht meine Frage ja auch. Danke. Thema: Woher kommen meine Suizidgedanken?

Und wie geht es weiter?

Ach ja, meine eigene Geschichte. Ich habe dann tatsächlich nie wieder an meine Exitstrategie gedacht. Und mir hat diese Begegnung mit der Frau, die damals als junge Frau meine Gedanken lesen konnte, tatsächlich die Kraft gegeben, nie wieder darüber nachzudenken, aus dem Leben zu gehen. Ich habe mir auch oft gewünscht “Nicht mehr da zu sein.” Und ich habe es angepackt, habe Entscheidungen getroffen. Mir wurde auch gesagt, dass mein Leben wieder lebenswert sein würde. Und es stimmt. Ich habe es geschafft. Und was ich kann – mit Bindungstrauma, Schocktrauma, tiefer Depression als Jugendliche, einer Konkurssituation die die gesamte Familie betraf und Mobbingerfahrung – das kannst du auch. Andere, auch meine psychologischen Kollegen, würden jetzt sagen: Du darfst auf keinen Fall deine eigene Geschichte erzählen. Warum eigentlich nicht? Ich mache es jetzt einfach. Heute sitze ich da, bin dankbar über das Leben das ich führen darf und ich kann von mir sagen: “Ich bin Liebe!” Das sind nicht nur leere Worte, sondern diese Liebe strahlt aus mir und es ist ohne Frage klar, dass ich das bin – es fühlt sich so an. Es sind nicht nur Worte, es sind nicht nur Gedanken. Was mir geholfen hat? Ein wertvolles Netzwerk – und Engel. Und die sind auch an deiner Seite. Ich bin dankbar dafür, dass ich am Leben bin. Auch ein Dankbarkeit für dich jetzt vielleicht nicht zugänglich ist. Ich bin mir sicher: Auch du kannst dir ein lichtvolles Leben erschaffen. Ich glaube an dich! Ich weiss, dass es geht. Ich bin der Beweis dafür.

Bücher, die ich empfehle:

Aktiv warten auf einen Therapieplatz

 

 

 

 

 

Los geht’s: Aktiv warten auf einen Therapieplatz (*)

Depression Selbsthilfe Duftmedizin Ätherische Öle

 

 

 

 

Depressionen: Hilfe zur Selbsthilfe mit Duftmedizin (*)

Byrne Engel Fingerspitzen

Lorna Byrne: Engel berühren meine Fingerspitzen (*)

Byrne Herzensgebete

Lorna Byrne: Herzensgebete für ein Leben voller Licht (*)

Byrne Engel in meinem Haar

Lorna Byrne: Engel in meinem Haar (*)

Magst du die Folge hören?

#55 Hilfe, wer sabotiert mich von innen?

#54 – Hilfe, mein Leben ist vergeudet und ich bin traurig

(*) Affiliatelink – das bedeutet, wenn du über diesen Link etwas kaufst, bekomme ich eine kleine Provision, für dich ändert sich am Preis nichts.

Bilder: Shivani Vogt

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